13. Juli 09
Ich rieche da Satire... aber wie virtuos gemacht! Hinreißend, wie der Text so und anders gelesen werden kann.
An Hanns Dieter Hüschs christlicher Überzeugung ist gar kein Zweifel, und hier nimmt er es sich heraus, das Anspruchsdenken vieler tief überzeugter Christen zu geißeln und es darzustellen als scheinbare Demut, hinter deren bigotter Fassade sich Arroganz und Wohlgefälligkeit verbergen. Schon der erste Satz Im übrigen meine ich ist ja ein berühmtes Zitat, nämlich das ceterum censeo des Cato, der von seiner Kriegslust, nämlich dem Wunsch, Karthago zu zerstören, nicht lassen konnte und dies gebetsmühlenartig (man verzeihe hier den sprachlichen Kalauer) wiederholte. Es ist der Ausspruch und Anspruch eines Kriegsherrn, der hier dem betenden Christen in den Mund gelegt wird, und dieser sagt auch gleich, was er von Gott erwarte und es folgt eine Aufzählung, wie der Sommer gefälligst beschaffen sein soll: Dem wirklich schönen poetischen Bild vom Korb voll Ruhe (welches aber implizit daran erinnert, wie wenig Ruhe in vielen ach so glücklichen Familien ist) folgt, und man halte sich fest: der Wunsch nach Urlaub. Wiesen, Wasser, weiße Strände, das soll's schon sein, und dafür soll Gott sorgen - welche Frechheit, welche Anmaßung, am Anfang eines Gebetes darum zu bitten, und nicht zu bitten, sondern "im übrigen zu meinen"! Es folgen schiefe Bilder von einem Gott, der den Kriegern das Handwerk aus den Händen nimmt (was für eine Vorstellung, dass Gott das Kriegshandwerk in seinen Händen halten will, aber: weiter unten wird er es noch brauchen sollen, um drakonisch zu strafen, ich komme darauf zurück), und von Mächtigen, die zu Mafiosi werden (welcher Mächtige wird zum Mafioso?). Es geht weiter in typischem "Kirchensprech" vom Mittun, an dem alle sich beteiligen können - einer vom Kaliber Hüschs wäre sicher in der Lage, hier stärker zu formulieren, wenn es ihm denn ernst wäre mit dem Inhalt. Lächerlich in meinen Augen auch das Bild, in dem sich Menschen lange anschauen, "um sich zu sagen: Wir lieben Euch!". Der fromme Kreis bleibt unter sich - und spricht zu sich: Wir lieben euch. Was für ein Bild für eine große Schwäche der Kirche, und was für eine feine Aufforderung, sich der Welt zuzuwenden. Ins selbe Horn stößt der für mich der höhnischste Abschnitt, in dem Gott aufgefordert wird, allen, die sich dem Tempo und der Dynamik, auch der akustischen, unserer Zeit nicht verschließen wollen, regelrecht den Marsch zu blasen. Er möge "Stille denen überall in die Ohren blasen, die unsre Zeit noch schneller machen wollen". Deutlich, dass hier derjenige betet, der sich von der schlimmen Welt abseits halten will, und die Forderung geht noch weiter: Denen, die bei dieser Orgie der Stille und Weltferne nicht mitmachen wollen, denen wird körperliche Strafe gewünscht, und Gott soll es richten - wie unchristlich, wie zutiefst intolerant, wie kleingeistig, wie separatistisch, ja, wie aggressiv richtet sich dieses Gebet gegen andere Menschen, und Gott soll da vor den Karren gespannt werden? Nur Satire kann das sein, wenn die oben erwähnte christliche Überzeugung des Kabarettisten nicht in Zweifel geraten soll. Und dann noch die Bitte, dieses "Ansinnen von uns überall zu segnen", gemäß dem wunderbar ätzenden Satz aus der Karikatur "Der Gottprotz" des Menschenfreunds Elias Canetti: Was immer er unternehmen will, Gott unterschreibt es. Das "muss sein" und "sofort" und "immerdar" des Schlusses rundet die Suada ab, meint man, aber es folgt noch das in der Berufswelt so verpönte und auf gewisse Weise unanständige "vorauseilende Danke", das dem Gegenüber möglichst keinen Spalt für ein Nein oder Aber lässt, und wie mit Kollegen nicht zu verfahren ist, das sollte für den Umgang mit Gott schon ganz tabu sein.
So. Meine Meinung dazu, und ich wundere mich, an wievielen Stellen im Netz und mutmaßlich an noch wieviel mehr Stellen in gedruckter Form diese köstliche Beschwerde Hüschs über die Arroganz der vermeintlich Gerechten und ihre Impertinenz im Gebet im Ernst als Urlaubsgrüße von honorigen Pastoren und anderen Gottesdienern den Gemeinden angeboten wird.
Ich mag Satire in der Kirche gerne, und ich möchte schließen mit einem Gedicht von Robert Gernhardt:
Lieber Gott, du bist der Boss,
Amen! Dein Rhinozeros.
Das ist in meinen Augen eine annehmbare Haltung und der Rest sei Dank oder Schweigen.
benedikt285 am 14.Jul 09
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ja puh...das ist ja nun mal eine ausführliche Antwort....obwohl die mich jetzt nicht direkt befriedigt. Ich versuche meine Gedanken dazu mal zu formulieren. Ich glaube, dass du den armen Hanns Dieter teilweise ein wenig über interpretiert hast...
Das mit dem "Im übrigen meine ich..." ist natürlich korrekt mit Cato und Kartahgo. Aber: Für Hanns Dieter ist es ein nicht unüblicher Anfang eines Gebetes das er oft benutzte. Dies mag ich nun gerne als das schon erwähnte Augenzwickern betrachten...(Herr Hüsch hat nun weis Gott eine humanistische Bildung genossen und benutzt diese dann auch gelegentlich)
Was ist falsch daran sein zu einem Ferienbeginn um schönes Wetter bitten, um Ruhe, die uns doch allen fehlt, um Hoffnung? Natürlich ist es teilweise ein Bitten um Dinge die sich vielleicht nur schwer oder nie erfüllen lassen (Mafiosi, Krieg usw.) aber sollen wir deswegen nicht dafür bitten? Wegen des Vielleicht?
Ganz besonders erhebe ich Einspruch gegen : "Der fromme Kreis bleibt unter sich..." gerade eben nicht! Bei Hüsch ist von Menschen die Rede und gar nicht mal von Christen.. und von dem, an was es doch oft so mangelt, einfacher, simpler Nächstenliebe (uncooles Wort, aber trotzdem gerade deswegen...) von Mensch zu Mensch, egal welcher Herkunft , Glauben oder Hautfarbe, es muss niemend draussen bleiben. Wie Hüsch sagt: "Alle können daran mit tun", gerade dies ist ein Kernsatz in dem Text, oder wenn ich es noch schärfer sagen darf: "Alle müssen daran mit tun"
So, nun zu der schnellebigen Welt: Natürlich leben wir alle darin, aber was soll daran schlimm sein dies einmal zu hinterfragen, was soll daran schlimm sein dies abzulehnen? Viele sind hier überfordert! Der Begriff "Weltferne" bedeutet doch an der Stelle, dass man resigniert hat, dass man keine Chance auf Änderung mehr sieht und mit schwimmt. Kein Ausweg, keine Hoffnung, keine Alternative..., Aber was wenn man versucht etwas anderes im Alltag zu leben, wenn man sich eben nicht auffressen lässt (..und ich weiss was das heisst)? Warum nicht diejenigen ansprechen, denen ihr tun vielleicht noch nicht mal bewusst ist, die die Welt unbewusst schneller machen?
Ach ja und dann noch "muss sein", "immerdar" und "sofort" und "vorauseilendes Danke": Willkommen am Niederrhein...dat is normal hier! Der liebe Gott weiss seine Niederrheiner schon zu interpretieren;-)
Ansonsten fand ich deine Ausführungen konstruktiv, sehr präzise und ausführlich und wahrscheinlich fundierter als meine Antwort.
Mille Gracie